The Book
Die überaus positiven und zahlreichen Rückmeldungen auf mein Buch "Die IT-Revolution", in dem ich schwerpunktmäßig die Bedeutung der IT für den Unternehmenserfolg von klein- und mittelständischen Unternehmen thematisiert habe, haben mich dazu motiviert, mich im vorliegendem Buch mit weiteren Herausforderungen auseinandersetzen, vor denen mittelständische Unternehmen heute stehen. Bereits "Die IT-Revolution" hat die enorme Breite und Vielfalt an Problemstellungen deutlich gemacht, mit denen Klein- und Mittelbetriebe heute zu kämpfen haben. Die Palette reicht von der Bürokratie-, Steuer- und Abgabenlast über den Fachkräftemangel bis hin zu gravierenden Finanzierungsproblemen.
Im Zug der Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise konnten wir in vielen Wortmeldungen aus Politik und Gesellschaft eine neue Rhetorik hören, die uns ein "Zurück" zu mittelständischem Wirtschaften und zu den Werten des Mittelstands verordnet hat. Die Botschaft hört man als mittelständischer Unternehmer wohl - allein es fehlt der Glaube an ihre Umsetzung.
Denn in der Praxis ist leider genau das Gegenteil zu beobachten: Der Druck auf die mittelständischen Unternehmen wächst und wächst. Über die systemerhaltenden Leistungen der Klein- und Mittelbetriebe, wie Beschäftigung, Steuern und Abgaben, hinaus wird von ihnen die Erfüllung eines überaus breiten gesellschaftlichen Leistungskataloges verlangt.
Es reicht schon lange nicht mehr, wenn Unternehmen wirtschaftlich erfolgreich sind, Arbeitsplätze bieten und Steuern zahlen. Sie sollen auch soziale Verantwortungsträger, Gesundheitsdienstleister, Demografiemanager und vieles mehr sein. Die gesellschaftlichen Ansprüche an Unternehmen nehmen immer stärker zu. Wann ist das Ende der Fahnenstange erreicht?
Parallel dazu wird das gesellschaftliche Klima wirtschaft- und unternehmerfeindlicher. Manager- und Unternehmer-Bashing ist zum verbalen und medialen Volkssport geworden. Wer sich zum Gewinnemachen bekennt - sofern er es sich überhaupt noch traut -, steht unter "neoliberalem" Generalverdacht. Arbeitnehmer-Interessenvertreter haben den Klassenkampf aus der ideologischen Klamottenkiste ausgepackt.
So kann es nicht weitergehen. Die mittelständische Wirtschaft steht an einem Wendepunkt. Wird die Anspruchsschraube weiter zugedreht, droht in absehbarer Zeit der Kollaps des Systems. Natürlich wird es dann weiterhin mittelständische Unternehmen geben. Aber ihre wirtschaftliche Leistungskraft wird sich in Grenzen halten. Grenzen, die Ergebnisse der steigenden Ansprüche und Regulierungen sind.
Das vorliegende Buch will konkret aufzeigen, wo und wie wir unsere mittelständischen Leistungsträger systematisch überfordern. Wo akuter Handlungsbedarf besteht, und wo wir rasch umdenken müssen, um die Leistungen der Klein- und Mittelbetriebe für die Zukunft zu sichern. Es will aber auch aufzeigen, wo für Klein- und Mittelbetriebe selbst neue Chancen liegen, etwa im Wissensmanagement, in IT-Unterstützung und in neuen Netzwerken.
Dieses Buch ist aus einer mittelständischen Perspektive verfasst. Einer Perspektive, die sich zu Freiheit, Eigentum, Eigenverantwortung und Unternehmergeist bekennt.
Das sind die Werte, über die infolge der Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise viel gesprochen wird. Wir müssen daran arbeiten, dass diese Werte in Zukunft auch gelebt werden können.
Nikolaus Kimla
(Oktober 2009)
Die Lasten wachsen
"Es sind nicht unsere Füße die uns weiterbewegen, es ist unser Denken."
Altes chinesisches Sprichwort
Der wirtschaftliche "Motor" der Klein- und Mittelbetriebe (KMU) wird in politischen Sonntagsreden quer durch alle Parteien gerne beschworen. Gerade im Zug der Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise scheint sich ein neues Bewusstsein über die Bedeutung der Klein- und Mittelbetriebe durchzusetzen. Viel ist da die Rede, dass wir zurück zum Kern unseres Wirtschaftssystems kommen müssen, das nun einmal auf den KMU basiert. Nicht die internationalen "Heuschrecken" in Form internationaler Konzerne und Investoren, sondern die fleißigen "Bienen" der Klein- und Mittelbetriebe haben Zukunft, weil nur sie unsere Zukunft sichern. Zumindest verbal ist eine Renaissance der mittelständischen Wirtschaftsweise und Wirtschaftswerte zu beobachten. Der notwendige Neustart sei nur durch die Stärkung von Eigeninitiative und Mittelstand möglich, hört man immer wieder. Die Praxis zeigt jedoch ein anderes Bild.
Klein- und Mittelbetriebe unter Druck
Sowohl unser Steuer- und Abgabensystem als auch die bürokratische Regulierung nehmen den Unternehmen die Luft zum Atmen. Von der hohen Gesamtabgabenquote in der Höhe von 42,2 Prozent ist vor allem der Mittelstand betroffen. Denn rund 48 Prozent der österreichischen Einkommensbezieher, rund 2,7 Mio Menschen, zahlen überhaupt keine Steuern mehr. Die obersten 10 Prozent der Einkommensbezieher tragen hingegen enorme 58 Prozent der Steuerlast . Diese Verteilung der Steuerlast ist in höchstem Maß ungerecht.
Das System der Steuerprogression schnürt die Steuerschraube bei jenen, die mehr leisten, überproportional zu. Das ist leistungs- und mittelstandsfeindlich. Denn dort, wo die Menschen das Gefühl haben müssen, ihr Einsatz und ihre Leistung werden vom Staat bestraft, entsteht ein Klima des Desinteresses an überdurchschnittlicher Leistung. Kluge Köpfe suchen sich andere Standorte für ihr Wirken. Standorte, die mit leistungsfreundlichen Flat-Tax-Regimen signalisieren, dass unternehmerisches Engagement bei ihnen höchst willkommen ist.
Wie sozial müssen Unternehmen sein?
"Das Wort "sozial" als die heiligste Vokabel der Kollektivmoralpharisäer hat im sozialdemokratischen Jahrhundert den zehn Geboten der Bibel den Rang abgelaufen."
Roland Baader
Die Steuer-, Abgaben- und Bürokratieschraube für Klein- und Mittelbetriebe ist nur ein Teil der steigenden Anspruchslast, die Unternehmen zu tragen haben. Wir erleben derzeit eine Potenzierung der gesellschaftlichen Ansprüche an Unternehmen in vielen Bereichen. Der Druck auf die Betriebe steigt. Es reicht offenbar nicht mehr, dass Unternehmen ihr gesellschaftliches Kerngeschäft erledigen, und Arbeitskräfte beschäftigen und Steuern zahlen. Sie sollen offenbar auch noch gesellschaftliche Dienstleister in sozialen und gesundheitlichen Fragen sein. Auf der einen Seite gibt es bekanntlich Bestrebungen, die wichtige und unterstützenswerte soziale Verantwortung von Unternehmen unter dem Schlagwort "Corporate Social Responsibility" (CSR) zum Pflichtprogramm zu machen . Auf der anderen Seite sollen die Unternehmen offenbar die Probleme eines unfinanzierbaren Gesundheitssystems durch betriebliche Gesundheitsvorsorge kompensieren - und vor allem finanzieren. Beides sind gesellschaftliche und politische Anspruchshaltungen, die nicht akzeptabel sind.
Leere Kassen - neue Lasten
Ein Motiv dafür ist zweifellos der Druck der leeren Staatskassen - der im Zug der Bekämpfung der Wirtschaftskrise dramatisch angestiegen ist - und in dessen Folge bestimmte gesellschaftliche Aufgaben an jene Leistungsträger delegiert werden sollen, denen man deren Erfüllung aufgrund ihrer enormen Leistungen in anderen Bereichen zutraut - den Unternehmen. Ein anderes Motiv, den Unternehmen weitere Lasten aufzubürden, liegt im wirtschaftsfeindlichen Reflex, die Pflichten und Regulierungen für Unternehmen weiter zu verschärfen und sie staatlich noch besser zu "kontrollieren". Damit wird aber unternehmerisch verantwortungsvolles Handeln sowohl im Sozial- wie auch im Gesundheitsbereich konterkariert.
Risiko muss finanzierbar sein
"Aus Altruismus werden keine Unternehmungen gegründet und kein Risikokapital eingesetzt, aus Altruismus werden keine Rationalisierungsmethoden erfunden und die Produktivität nicht gesteigert. Aus Altruismus werden die Völker und Menschen nicht aus Armut, Elend, Not und Mangel geführt. Altruismus ist eine edle, wichtige, wunderbare und nach meiner Überzeugung sogar von Gott geschenkte und seinem Schöpfungswillen entstammende Anlage und Möglichkeit im Charakter, im Herzen und in der Seele des Menschen. Aber er ist untauglich und zerstörerisch als entpersonalisierter moralischer Imperativ, als politisches Programm und als konstruierte Systemkomponente einer Gesellschafts- oder Wirtschaftsordnung."
Roland Baader
Das vielbeschworene Gleichheitsprinzip gilt für Klein- und Mittelbetriebe nicht. Während den großen Konzernen unter dem Schlagwort "Krisenbekämpfung" Steuergeld in rauen Mengen zur Verfügung gestellt wurde, schauen die kleineren Unternehmen durch die Finger. Dabei sind sie es, die für den Löwenanteil der Wertschöpfung und Beschäftigung verantwortlich sind. Die Benachteiligung der "Kleinen" in Finanzierungsfragen ist jedoch kein Ausnahmefall, der nur in Krisenzeiten zu beobachten ist. Die Benachteiligung hat eine systemische Dimension.
Erschwerend kommt hinzu, dass in einem rohstoff-armen Land wie dem unseren - im Gegensatz zu Rohstoff-Riesen wie Brasilien - es nur einen wettbewerbsentscheidenden Rohstoff gibt: "brainpower". Die Finanzierungslandschaft für unternehmerisch angewandte "brainpower" ist jedoch insgesamt äußerst kärglich. Welche Dynamik diese Ressource freisetzt, zeigt sich - um ein Beispiel aus der IT zu verwenden - in der open source-Bewegung . Sie hat in vielen Bereichen echte Weiterentwicklungen und Innovationsschübe gebracht. Vor diesem Hintergrund ist es besonders wichtig, verstärkt in die Ausbildung von "brainpower" zu investieren und deren unternehmerische Anwendung auch finanzierbar zu machen.
Mittelstand ohne Human Ressources?
"Selbstbestimmung ist die Essenz der Freiheit, nicht Mitbestimmung."
Roland Baader
Klein- und Mittelbetriebe pflegen unbestritten eine andere Kultur des Umganges mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als Großbetriebe. Der Mensch steht stärker im Mittelpunkt der Beziehung als in hochprofessionalisierten, anonymen Strukturen großer Unternehmen (sh. auch Kapitel 2). Dies bedeutet für beide Seiten Vorteile, zieht aber auch spezifische Herausforderungen nach sich. Etwa die Herausforderung, dass es für KMU wesentlich schwieriger ist, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auszutauschen als für große Unternehmen. Während es in großen, vertikal strukturierten Unternehmen klare workflows, job descriptions und abgegrenzte Verantwortungsbereiche für Mitarbeiter gibt, ist das in KMU weitaus seltener der Fall. Aufgaben und Kompetenzen sind hier nicht vertikal, sondern oft horizontal verteilt. Das bedeutet: Mitarbeiter sind in unterschiedlichen Unternehmensfunktionen "daheim" und übernehmen flexibel Aufgaben, die vom Unternehmen zu bewältigen sind. Verlässt ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin das Unternehmen, ist es besonders schwer, adäquaten Ersatz zu finden.
Mangel an Fachkräften
Die grundlegende Herausforderung liegt für KMU darin, für die Zukunft ausreichend qualifizierte Arbeitskräfte zu haben. Die mittel- und langfristigen Auswirkungen der Wirtschaftskrise auf den Arbeitsmarkt sind noch unklar. Während die öffentliche Meinung noch gebannt auf die Arbeitslosenstatistiken sieht, droht den Klein- und Mittelbetrieben jedenfalls eine ganz andere Gefahr: ein massiver Fachkräftemangel. Ein Problem, mit dem sie weitgehend allein gelassen werden. Auch hier fällt der Unterschied zu globalen Konzernen ins Gewicht: Während sich globale Unternehmen dadurch behelfen können, dass sie punktuellen Fachkräftemangel durch Rückgriff auf ihr globales Arbeitskräfteangebot kompensieren können, bleibt einem KMU diese Option verwehrt. Es hat keine Möglichkeit, Arbeitskräfte von hier nach dort zu verschieben. Anders gesagt: Während globale Unternehmen ihre eigene Human Resources-Infrastruktur nützen können, sind Klein- und Mittelbetriebe auf die staatlich bereitgestellte Human Resources-Infrastruktur angewiesen.
Schwierigere Ersetzbarkeit von Mitarbeitern, keine Möglichkeit, Arbeitskräfte von einem internationalen Standort zu einem anderen zu verschieben: Der Nachteil für KMU angesichts des Fachkräftemangels ist ein doppelter.
Unternehmen Familie
"Wenn eine Gesellschaft von außen bedroht wird, ist es wichtig, die zu kennen, die stark sind und die Verteidigung aufnehmen können. Doch wenn eine Gesellschaft sich inwendig verwandelt, keine Kinder mehr zur Welt bringt, massiv alter, soziales Kapital entwertet und die verwandtschaftlichen Bindungskräfte schwächt, ist es wichtig, diejenigen zu kenne und sich mit ihnen gut zu stellen, die im Stande sind, Familien oder familienähnliche Netzwerke zu bilden."
Frank Schirrmacher
Familien und Unternehmen werden oft als Gegensatz verstanden. Dabei haben sie viel gemeinsam: Ein persönliches Beziehungsgeflecht, das mehr oder weniger ausgeprägte "Wir"-Gefühl oder auch das Gefühl des Aufeinanderangewiesen-Seins. Viele Arbeitskräfte schätzen auch den "familiären" Umgang in Klein- und Mittelbetrieben, der nicht nur die Lasten des Arbeitslebens erleichtert, sondern auch viel Flexibilität ermöglicht. Vor allem aber: Beide, Familien wie Unternehmen, leben von selbstständiger Arbeit. Im einen Fall wird die selbstständige Leistung gegenüber den "Kunden" Familienmitgliedern erbracht, im anderen Fall sind die Kundenbeziehungen weiter gefasst. Unternehmerischer Erfolg ist ohne familialen Erfolg nicht möglich. Familien sind die Keimzellen verantwortungsvollen Handelns - in der Gesellschaft wie in der Wirtschaft.
Renaissance der Familien?
Wie heute von einer Renaissance der Klein- und Mittelbetriebe die Rede ist, so war in den vergangenen Jahren immer wieder von einer Renaissance der Familien und der Familienpolitik zu hören. Dahinter steht die Einsicht, dass die Leistungen der Familie alles andere als selbstverständlich sind, und dass die richtigen Anreize dafür gesetzt werden müssen, damit es mehr Kinder gibt und dass Familie gelebt werden kann. Jenseits der Debatte um die Frage der Familienformen - Familie ist im historischen Vergleich immer schon einem Wandel unterlegen - geht es darum, wie wir den Herausforderungen des demografischen Wandels (sh. Kapitel 4) entgegentreten können. Mehr Kinder sind nicht nur zur nachhaltigen Sicherung des Generationenvertrages unverzichtbar, mehr Kinder sichern in allen Bereichen Zukunft - von der Innovationskraft einer Gesellschaft bis zum Wirtschaftswachstum.
Unternehmen lösen Probleme
"Problemlösungen dem Markt zu überlassen, das heißt, sie der Vielfalt an unterschiedlichem Wissen, Können, Erfinden, Suchen, Entdecken, Improvisieren, Lernen, Streben, Nachdenken von Millionen Menschen anzuvertrauen."
Roland Baader
Die Unternehmen machen Probleme, der Staat löst sie: So lässt sich - ohne jegliche Simplifikation - das vorherrschende Meinungsklima zu Unternehmen und dem Staat beschreiben. Die Krise hat dieses Meinungsklima nicht erzeugt, sondern allenfalls dramatisiert. Die Unternehmen und die Wirtschaft als Ganze werden als "Täter" stigmatisiert, man selbst gefällt sich einmal mehr in der Opferrolle. Ein Opfer, dem nur mehr - und wie immer - der gute "Vater Staat" helfen kann. Die Staatsorientierung der Bevölkerung ist hausgemacht.
Eigenverantwortung auf Sparflamme
Die Politik ist sich ihrer Auswüchse wohl bewusst, stellt sie aber nicht im Frage, weil sie davon lebt. Eigenverantwortung und Eigeninitiative werden dadurch aber auf Sparflamme gehalten. Wie absurd die Situation ist, zeigt sich daran, dass es vor allem aus dem Grund keine weiteren Konjunkturpakete gibt, weil die Politik die Angst hat, die Menschen würden auf dessen Effekte warten, um nicht selbst aktiv werden zu müssen. Während es keinen Zweifel daran gibt, dass Unternehmen bankrott gehen können, ist es nahezu sakrosankt darauf zu verweisen, dass auch ein Staat bankrott gehen kann. Es zeigt sich: Die Verhältnisse stehen auf dem Kopf. Der Staat wird als großer Problemlöser inszeniert, und das Anwerfen der Notenpresse als sozialpolitische Großtat. Eine notwendige Diskussion über Sinnhaftigkeit und Grenzen staatlichen Handelns findet nicht statt.
Staatliches Unterbewusstsein
Wenn Freud recht hat mit der These, dass das Unbewusste uns stärker steuert als das Bewusste, so können wir in Analogie dazu festhalten: Der Staat mit seinen expliziten und impliziten Regeln steuert das wirtschaftliche Geschehen viel stärker als unternehmerische Eigeninitiative es vermag. Die Politisierung der Wirtschaft ist ein Grundproblem nicht nur in Österreich. Tendenzen zur Re-Verstaatlichung fallen aufgrund des Etatismus im gesellschaftlichen Unterbewusstsein auf fruchtbarem Boden - mit furchtbaren Folgen für die Wirtschaft im Fall ihrer Umsetzung. Viele Politiker haben sich dazu verstiegen, die Verstaatlichung von Unternehmer oder ihre Gemeinnützigkeit zu fordern. Mit der Sozialpartnerschaft verfügt Österreich über einen gesellschaftspolitischen Entscheidungsmechanismus, der im Zeitalter von Globalisierung und Wettbewerb am Prüfstand steht. Die Intelligenz des Marktes und die Kraft des Unternehmertums wird nicht so genutzt, wie sie genutzt werden könnte und sollte. An ihrer Stelle werden "Experten" auf die politische Entscheidungsbühne gestellt, die sich durch bemerkenswerte Markt- und damit Realitätsferne auszeichnen.
Konkreter Nutzen
Aber das ist ein vergleichsweise geringes Problem. Das größere Problem ist der damit verbundene politische Klimawandel. Im Zug der Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise hat ein Vorurteil wieder an Verbreitung gewonnen, das gerade für Klein- und Mittelbetriebe eine schwere Last ist. Das Vorurteil, Unternehmen würden durch das unternehmerische Streben nach Gewinn nur Probleme schaffen. Tatsache ist freilich, dass das Gegenteil der Fall ist. Unternehmen schaffen keine Probleme, sie werden dazu gegründet, um Probleme zu lösen. Vor allem das Problem, dass es am Markt eine Nachfrage gibt, die nicht durch ein entsprechendes Angebot ausreichend gedeckt ist. Produkte und Dienstleistungen von Unternehmen bringen ihrem Käufer einen konkreten Nutzen. Nur darum werden sie gekauft.
Wissensmanagement in der Fertigkeitsgesellschaft
"Das Endergebnis ist: Wir wissen erstaunlich wenig, und doch ist es erstaunlich, daß wir überhaupt so viel wissen, und noch erstaunlicher, daß so wenig Wissen uns so viel Macht geben kann."
Bertrand Russell
Das Schlagwort von der Wissensgesellschaft ist nun schon einige Zeit im Umlauf. Seine Bedeutung für die Wirtschaft wird nach wie vor nur in Ansätzen erkannt. Wissen, das ist die angewandte Fertigkeit, die in einem Unternehmen zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort benötigt wird. Es handelt sich dabei nicht um "angelerntes" Wissen, sondern um kumulativ, aus unterschiedlichen Quellen und Achsen zugänglich gewordenes Wissen. Erfahrung und Kommunikation spielen dabei zentrale Rollen.
Hinter dem Schlagwort "Wissensmanagement" verbirgt sich folglich eine der großen Herausforderungen für Klein- und Mittelbetriebe. Wie geht man mit dem vorhandenen Wissen im Unternehmen um? Wie sichert man seine Nutzung und damit seinen Wert? Wie garantiert man, dass das Wissen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Unternehmen verbleibt - und zwar auch dann, wenn sie es verlassen? Das sind Themen, die Klein- und Mittelbetriebe heute zunehmend beschäftigen. Denn im Gegensatz zu großen, vertikal organisierten Unternehmen haben Klein- und Mittelbetriebe nicht die Möglichkeit, Prozesse und damit verbundenes Wissen zu dokumentieren und zu erfassen. In KMU wird eine Vielzahl von Tätigkeiten jenseits von Unternehmensfunktionen ausgeführt - oft von ein und derselben Person. Für solche Wissensarbeiter gibt es keine klaren Arbeitsbeschreibungen. Das von ihnen erworbene Wissen bildet sich außer in ihren praktischen Tätigkeiten nirgendwo ab. Vor diesem Hintergrund ist klar, dass der Verlust eines Mitarbeiters oder einer Mitarbeiterin einen Klein- und Mittelbetrieb wesentlich stärker trifft als dies für ein großes Unternehmen gilt.
Der Mittelstand und die IT-Revolution
"Man vergisst immer wieder, auf den Grund zu gehen. Man setzt die Fragezeichen nicht tief genug."
Ludwig Wittgenstein
An der IT-Revolution kommt niemand vorbei. Was wir heute erleben und nutzen - von der globalen Wissensenzyklopädie bis zum lokalen Amtshelfer - ist erst der Anfang einer Entwicklung. IT und die damit verbundenen e-Anwendungen stellen in vielen Bereichen das Gewohnte in Frage und eröffnen neue Perspektiven. Ehemals starre Grenzen, zwischen Beruf und Privatleben, zwischen Unternehmen und Kunden, lösen sich in der e-Welt auf.
Die Informationstechnologie ist für den Mittelstand unbestritten eine Herausforderung. Aber sie ist eine noch viel größere Chance . Sie innoviert mit den Unternehmensstrukturen die Art des Wirtschaftens in einer globalisierten Wirtschaftswelt. Jene Unternehmen, welche die Informationstechnologie strategisch fundiert nutzen, können sich dadurch wichtige Wettbewerbsvorteile verschaffen. Unternehmen, die im IT-Bereich keine Entwicklungsbereitschaft zeigen, laufen Gefahr, dem Struktur- und Technologiewandel zum Opfer zu fallen. Je besser wir den Innovationsprozess durch IT verstehen, desto besser können wir ihn nutzen. IT ist auf das Engste mit Innovation und mit Wachstum in der globalen digitalen Welt verbunden.
Die Herausforderungen
Drei große Entwicklungslinien sind zu beachten, wenn wir über die Bedeutung von IT für Klein- und Mittelbetriebe reden:
- Die eigentliche IT-Revolution steht uns noch bevor. Sie betrifft den Kern von Unternehmen ebenso wie den Kern der öffentlichen Verwaltung. Ein Klein- und Mittelbetrieb kann mit einer entsprechenden IT-Infrastruktur eine Marktwirksamkeit wie ein großes Unternehmen entfalten. Und der öffentliche Sektor kann mit einer entsprechenden IT-Kultur den Bürgern wie ein modernes, dienstleistungsorientiertes Unternehmen entgegen treten. Wichtig: Wer bei der IT-Revolution an vorderster Front sein will, muss immer das strategische Ziel vor Augen haben, das einem die IT eröffnet - der darf nicht bloß Kleingeld zählen.
- Die Verbreitung von IT fordert und fördert Demokratisierungsprozesse auf allen Ebenen. Das zeigt sich nicht nur im politischen Geschehen weltweit, oder auch in der Weiterbildung, wo Seminare und sogar Business Schools elektronisch ubiquitär zugänglich sind. Das zeigt sich auch in der Veränderung der Beziehungen zwischen Unternehmen und Kunden. Die elektronisch unterstützte Artikulation des Kunden gegenüber Unternehmen ermöglicht eine noch nie dagewesene Form der Individualisierung der Beziehung zwischen Unternehmen und Kunden.
- Drittens unterliegt die IT als Innovations- und Wachstumsdisziplin selbst einem Veränderungsprozess. Sie ist keine "Geheimwissenschaft" mehr. Prozesse sind standardisiert, die open source-Bewegung zeigt, dass Offenheit mehr Innovation und Weiterentwicklung bringt. Für Klein- und Mittelbetriebe wird dieses Potenzial durch Berater transparent und zugänglich gemacht. Im Unternehmen braucht man nicht die volle IT-Kompetenz, sondern nur das notwendige Verständnis für IT und eine entsprechende Schnittstelle zum Berater. Das ist der Weg zu neuen, erfolgreichen Geschäftsmodellen, Partnerschaften und Märkten.
Vor dem Hintergrund dieser drei großen Entwicklungslinien ist die strategische Auseinandersetzung von Klein- und Mittelbetrieben mit dem Thema IT zu fördern und zu fordern.
Neue Netzwerke statt alte Strukturen
"Um Wissen zu erlangen, füge täglich etwas hinzu, um Weisheit zu erlangen, entferne täglich etwas."
Lao Tzus (Vater des Taoismus)
Wie ist unsere Wirtschaft "verfasst"? Wie sind unsere Klein- und Mittelbetriebe repräsentiert? Wie sind die Unternehmen vernetzt? Das sind wichtige Themen für mittelständische Unternehmen. Denn davon hängt auch ihre Außenwirkung in die gesamte Gesellschaft ab - und natürlich vor allem ihr wirtschaftlicher Erfolg.
Es ist Tatsache, dass die Herausforderungen einer globalen Ökonomie und die Realität von traditionellen, in der Nachkriegszeit entstandenen Interessenvertretungen nicht zusammenpassen. Ein sozialpartnerschaftliches System, das Wettbewerb in nationalstaatlich in kontrollierten Bahnen halten wollte, und die globale Wettbewerbsdynamik mit ihren enormen Chancen und Herausforderungen sind nicht kompatibel. Althergebrachte Interessenvertretungen unterliegen dem Insider-Dilemma: Das System innen ist in sich geschlossen und plausibel - doch die Welt draußen ist eine andere.
Neue Schläuche für neuen Wein
Weil die Dynamiken der globalen Wirtschaft völlige andere sind, ist im Hinblick auf Interessenvertretungen und Netzwerke klar: Neuer Wein gehört in neue Schläuche. Die globalen sozialen IT-Netzwerke deuten an, wie Netzwerke aussehen und vor allem funktionieren können, die wirtschaftliche Interessen bündeln und zusammenbringen. Die Potenziale der IT für direkte Kommunikation und für Feedback sind groß. Sie werden von traditionellen Interessenvertretungen wenn überhaupt nur höchst oberflächlich genutzt.
Große Hersteller zeigen, wo die Zukunft daheim ist: Sie wenden sich dank IT direkt an die Konsumenten, von denen sie dafür auch direktes Feedback für die Weiterentwicklung ihre Produkte und Dienstleistungen erhalten können. Das erhöht die Markt- und Kundennähe. Unüberschaubare Strukturen und Organisationen "dazwischen" gelten zunehmend als Hemmnis für Erfolg. Das gilt auch für Netzwerke und Interessenvertretungen.
Kleine mittelständische Tugendlehre
"Karl Popper hat uns gelehrt, dass wir niemals wissen können, ob und wann wir "die Wahrheit" gefunden haben, dass wir aber sehr wohl feststellen können, ob wir uns von der Unwahrheit entfernen - und somit der Wahrheit nähern. Das eigentlich Gefährliche an der Lüge, so scheint mir, ist deshalb nicht die Tatsache, das sie unwahr ist, sondern dass sie uns bei der Suche nach der Wahrheit vom Weg abbringt."
Roland Baader
Die Herausforderung an den Mittelstand wachsen und wachsen. Neben traditionellen Lasten wie Steuern und Abgaben sehen sich Klein- und Mittelbetriebe mit einem Amalgam an Forderungen und Ansprüchen konfrontiert, die darauf abzielen, den Betrieben Aufgaben aufzubürden, die andere nicht tragen wollen oder können.
Klein- und Mittelbetriebe können und sollen aber weder Sozialorganisationen noch Gesundheitsdienstleister sein. Es ist auch nicht ihre Aufgabe, sich um eine ausreichende Zahl von Arbeitskräften zu bemühen. Sie sind auch nicht die erste Adresse, wenn es um mehr Familienfreundlichkeit in der Gesellschaft geht. Wir müssen der Anspruchsschraube an Klein- und Mittelbetriebe gezielt entgegentreten - und klarstellen, was Aufgabe des Mittelstands in unserer Gesellschaft ist, und was nicht. Das ist eine Frage des Mindsets und der Werte.
Vor diesem Hintergrund verstehen sich die im Rahmen einer kleinen klein- und mittelständischen Tugendlehre nachfolgend formulierten Kardinaltugenden (Ich bezeichne diese bereits in meinem Buch "Die IT-Revolution" verwendeten Orientierungen nicht aus theologischen Gründen als "Kardinaltugenden" - vielmehr ist der Begriff einer geografisch-kulturell bedingten Sprachpraxis geschuldet, die Leser und Autor wohl teilen) als Leitlinien dafür, was der ordentliche Kaufmann im Sinn der Österreichischen (Wiener) Schule der Nationalökonomie braucht - und was sicher nicht.
Order
Hier können Sie das Buch direkt bestellen.
info@pipelinersales.com
Impressum
Leere Kassen Neue Lasten
ISBN 978-3-85485-255-1
©2009 by Molden-Verlag
In der Verlagsgruppe Styria GmbH & Co KG
Wien-Graz-Klagenfurt
www.molden.at
Umschlaggestaltung: Nikolaus Kimla
Lektorat: Marion Mauthe
Herstellung: Bruno Wegscheider
Druck: Druckerei Thesis GmbH, St. Stefan
Alle Rechte vorbehalten
Mag. Nikolaus Kimla
Tel.: +43 664 102 7260
Email: n.kimla@uptime.at
Nikolaus Kimla, Jahrgang 1961, Geschäftsführer der uptime ITechnologies GmbH, die maßgeblich die Österreichische IT-Landschaft seit Anfang der 1990er Jahre mitgetragen hat.
Ursprünglich Evangelischer Theologe gründete Kimla 1994 die uptime ITechnologies GmbH und hat zehn Jahre später das unabhängige (Wirtschafts-)netzwerk GO-AHEAD! ins Leben gerufen, das sich u.a. an den Grundsätzen der freien Marktwirtschaft im Sinne einer liberalen und sozial eingestellten Verantwortlichkeit orientiert.
Über uptime ITechnologies
Seit mehr als 14 Jahren ist das IT-Systmhaus ein verlässlicher und hochinnovativer Partner für Unternehmen. uptime verknüpft seine anerkannte technologische Vorreiterrolle (z.B.: erste Maillösung 1993, erster Online-Shop 1995, Open-Source- Lösungen seit 1998, Autonomy seit 2003) erfolgreich mit höchster Wirtschaftlichkeit und Produktivität im Interesse des Kunden. Strategieberatung in Verbindung mit maßgeschneiderten IT-Lösungen ist die Kernkompetenz des Unternehmens. Mehr als 50 Mitarbeiter/innen sorgen für strategisch fundierte und plattformübergreifene IT-Beratung auf höchstem technischen Niveau.